Welche Mathematik sollen Maturanten beherrschen?
Mathematik-Professoren der TU Wien fordern gerade, den Gebrauch von Computerwerkzeugen bei der Matura einzuschränken, weil das dazu führe, dass die Studierenden weniger “mathematisch-handwerkliche” Fähigkeiten als früher mitbringen. (https://www.tuwien.ac.at/aktuelles/news_detail/article/126023/)
Dazu ein paar Anmerkungen:
Erst bei der heurigen Matura war es erstmals vorgeschrieben, dass solche Werkzeuge für alle Prüflinge zur Verfügung stehen müssen. Diese Schüler beginnen erst im Herbst zu studieren. Alle Maturanten betreffende aussagekräftige Daten über diese Arbeitshypothese scheint es also noch nicht viele zu geben.
Interessant wäre es, die Ergebnisse früherer (Zentral-)maturen in Hinblick auf den Einfluss von Computerwerkzeugen auf die Ergebnisse zu untersuchen. Ich kenne keine derartigen Untersuchungen.
Interessant wäre es auch, wenn die TU bei ihren Studierenden erhebt, in welchem Umfang sie die Computerwerkzeuge im Mathematikunterricht verwendet haben und welchen Einfluss das auf den Studienerfolg hatte. Erst mit derartigen Erhebungen kann man dann auf der Grundlage von Tatsachen ernsthaft diskutieren.
Als Beitrag zur Diskussion empfehle ich den Blog von Prof. Keith Devlin (Stanford) (http://devlinsangle.blogspot.com), aus dem folgendes Zitat stammt:
Since the turn of the new Millennium, I doubt if anyone making professional use of mathematics in their job, or indeed any adult using mathematics in their everyday lives, has taken out paper-and-pencil and followed a classical algorithm to add, subtract, multiply or divide numbers in an array of real-life size, or perform complex algebraic reasoning to solve systems of equations, or solve problems using calculus, or any other established mathematical procedure. Not only would it now be a waste of valuable human time and energy doing something a cheap machine can do in far less time with no possibility of error, but many of the problems that people encounter in their careers and lives have simply too much data for the human mind to handle. Those same digital tools that have made the execution of mathematical procedures unnecessary have also come to dominate and drive our world, so many of the problems that require mathematics in their solution are now simply beyond human capacity. That’s why Amazon Web Services has become such a behemoth for data storage and processing.
Als weiteren Diskussionsbeitrag empfehle ich die Geschichte über das Säbelzahntigercurriculum:
https://cse101.cse.msu.edu/visitors/saber.php bzw. die deutsche Übersetzung http://wwwuser.gwdg.de/~hhaller/nfaust.htm
Da geht es darum, dass viele Jahrzente lang die überlebenswichtige Kunst der Säbelzahntigerjagd gelehrt wird. Dann aber stirbt der Säbelzahntiger aus und die Säbelzahntigerjagdlehrer erklären, dass die Jagd an sich ja gar nicht der wichtigste Lehrinhalt gewesen sei, sondern dass es um viel grundlegendere und zeitlose Werte gegangen sein.
1. Fußnote: Wenn gerade an einer Technischen Universität technische Hilfsmittel aus der Lehre verbannt werden, dann ist das ein sehr bemerkenswerter Sachverhalt.
2 Fußnote: Bei der Behauptung, man könne Mathematik nur lernen, wenn man es eine Zeitlang ohne Computer mache, fällt mir als Analogie ein, dass man dann Schifahren auch nur lernen könnte, wenn man zunächst einmal nur Schi ohne Stahlkanten verwendet.