Wahlanalysen und Statistik – ein chronisches Leiden
Ich habe vor der Wahl in standard über die Leiden von Statistikern in Wahlzeiten geschrieben. Insbesondere über das, was man aus Umfragen erschließen kann und was nicht.
Und dann finde ich auf der ORF-Website folgende Grafik:
Das schmerzverursachende Detail ist die letzte Zeile. Etwa 1200 Befragte hats gegeben. Daraus ergibt sich eine Schwankungsbreite von +-2.8%.
Allerdings werden in der Grafik zwei Untergruppen der Befragten verglichen, nämlich Männer über 60 und Frauen über 60. Die Größe dieser Untergruppen wird nicht angegeben. Die braucht man aber zur korrekten Ermittlung der Schwankungsbreite.
Nehmen wir vereinfachend an, dass 1/3 der Wahlberechtigten über 60 ist. Und nehmen wir auch an, dass es etwa gleich viele Frauen und Männer gibt. Das stimmt nicht ganz, in der Altersgruppe gibts schon mehr Frauen. Aber wir wollen ja nur eine Überschlagsrechnung machen.
Also vergleichen wir 2 Gruppen der Größe je 200. Die Schwankungsbreite beträgt bei der Gruppengröße etwa +-6.4%.
Die 2.8%, die unter der Grafik ausgewiesen werden, gaukeln dem Leser eine Genauigkeit vor, die einfach nicht gegeben ist.
Und der Sicherheitsabstand, bei dem man bei 30%-Parteien statistisch einigermaßen gesichert von einem Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen ausgehen kann, beträgt 9.2%. Der Geschlechterunterschied zwischen Männern und Frauen ist also bei ÖVP und FPÖ statistisch gesichert, wenn der Anteil der auswertbaren Antworten hoch genug ist. Hätte der beispielsweise nur weniger als 70% betragen, dann wäre der Geschlechterunterschied für die FPÖ schon nicht mehr eindeutig statistisch gesichert.
Es ist ja schon ein Fortschritt, wenn jetzt (im Gegensatz zu früher) bei Umfragen Schwankungsbreiten angegeben werden.
Aber als Statistiker hab ich noch weitere (unbescheidene?) Wünsche: ich wünsch mir, dass da auch die richtigen Werte angegeben werden!
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