Wählerstromanalysen und statistische Grafiken
Der ORF hat bis vor kurzem zur grafischen Darstellung von Wählerstromanalysen die „fliegenden Plättchen“ verwendet. Man hat ähnliche Darstellungen auch im Web gefunden. In gedruckten Zeitungen war das nicht möglich weil die Animation (also ein Bewegungsablauf) essentieller Teil dieses Grafiktyps ist.
Diesmal gab es eine neue Grafik, nennen wir sie „Stromdiagramme“. In der Fachterminologie heißen diese Diagramme nach einem der ersten Verwender Sankey-Diagramme (genaueres siehe Wikipedia)
Ein Beispiel dazu findet sich im standard.
Auch der ORF hat diese Grafikform verwendet.
In meinen Wählerstromanalysen verwende ich immer noch eine schon recht alte Form der statistischen Grafik, nämlich gestapelte Balkendiagramme.
Ich könnte auch die anderen Grafiktypen verwenden. Warum mache ich das nicht?
Dazu eine grundsätzliche Frage:
Wozu stellt man Wählerstöme überhaupt grafisch dar? Wohl vor allem, damit der Leser oder Zuschauer die Größen der Ströme gut vergleichen kann.
Die fliegenden Plättchen haben diesen Vergleich immer schon schwer gemacht. Die Größe eines Wählerstroms wird bei dieser Grafikdarstellung durch die Anzahl der nacheinander fliegenden Plättchen ausgedrückt. Man muß also mitzählen und kann nicht mit einem Blick sehen, dass ein Wählerstrom doppelt so groß wie ein anderer ist. Eigentlich wird bei dieser Form der Grafik der Verpackungseffekt (es schaut halt so nett aus) der wichtigsten Aufgabe einer statistischen Grafik – die Daten besser verständlich zu machen – geopfert.
Die Stromdiagramme sind in letzter Zeit sehr populär geworden, weil es einfach verwendbare Implementation für Webseiten gibt (z.B. in der Grafik-Bibliothek d3.js)
Als interaktive Grafik auf dem Web hat diese Darstellungsfrom auch wirklich ihre Stärken:
Die Breiten der „Stromlinien“ geben den Umfang des Wählerstroms an und wenn man die Maus über einen Strom bewegt sieht man die Beschreibung und die Wählerzahl. Der große Vorteil ist, dass man selber aussuchen kann, welches Detail man gerade genauer studieren möchte. Wenn man das Diagramm statisch vor sich sieht, dann ist es nicht besonders übersichtlich, das „Hineinzoomen“ in Details nach den eigenen Bedürfnissen macht diese Form aber sehr hilfreich.
Wenn man diese Grafik aber – so wie im ORF – mit fixem Ablauf vorgespielt bekommt, dann geht der wichtigste Aspekt, die Möglichkeit der selbstgesteuerten selektiven Hervorhebung verloren. Für statistische Darstellung im Fernsehen erscheint mir (und anderen Statistikern) diese Form daher ziemlich ungeeignet.
In einem gedruckten (statischen) Medium kann diese Form bei Wählerstromanalysen auch nicht das Wichtigste, die bessere Verständlichkeit der statistischen Daten, leisten.
Die ganz einfachen Balkendiagramme (wie etwa hier) sind ziemlich leicht verständlich und zeigen sehr klar den Umfang der einzelnen Wählerströme. Man erkennt bei den numerisch wichtigen Wählerströmen auf den ersten Blick, welcher Strom um wieviel größer als welcher andere war.
Bei statistischen Grafiken können modernere und interaktive Darstellungsformen nicht automatisch die Daten besser verständlich machen als ganz alte Darstellungsformen.
Übrigens ist die Grundidee der Sankey-Diagramme, die Breite von Verlaufslinien dazu zu verwenden, Mengenangaben zu illustrieren, schon sehr alt. Sie ist bei manchen Phänomenen auch für gedruckte Darstellung geeignet.
Ein sehr berühmtes Beispiel ist die Darstellung von Napoleons Russlandfeldzug von Charles Minard