Schülerzahlprognosen, Statistik und Bildungspolitik(er)

Posted by Erich Neuwirth on 8. Juli 2013 in Allgemein |

Harald Walser diskutiert in seinem Blogeintrag vom 28. Juni 2013 die zukünftige Entwicklung der NMS (neuen Mittelschule).

Er schreibt dort

Die NMS verliert bis 2030 laut Schulbesuchsprognose (Quelle Statistik Austria) 1.600 Klassen und 34.000 SchülerInnen (29.000 an die AHS, 5.000 geringere Geburtenrate)

Ausgangspunkt sind folgende Daten:

 HauptschuleAHS
2009/10233.228115.651
2015/16210.239118.933
2020/21202.119124.685
2025/26199.813134.084
2030/31199.210144.802

Die Daten stammen aus dem Artikel
Regionalisierte Schulbesuchsprognose für Österreich 2009 bis 2030
in den Statistischen Nachrichten 2/2012 der Statistik Austria

Dort findet man gleich zu Beginn folgende Feststellung:

Die Entwicklung der Neuen Mittelschule wird in dieser Studie noch nicht gesondert behandelt und ausgewiesen, da hier zum Zeitpunkt der Prognoserechnung noch die notwendigen Informationen über den weiteren Ausbau und die künftige Standortpolitik fehlten. Die Zahlen und Trends der Hauptschule und AHS-Unterstufe beinhalten somit auch Klassen der Neuen Mittelschule, die an solchen Standorten bereits existieren oder künftig noch errichtet werden.

Das heißt im Klartext, dass die Autoren der Prognose gar nicht erst versuchen, mögliche Veränderungen der Aufteilung zwischen HS/NMS und AHS-Unterstufe abzuschätzen, weil die Daten dafür keine ausreichende Grundlage bieten.

Prognosen sind ja praktisch immer Fortschreibungen von in der Vergangenheit beobachteten Trends, und über die Auswirkungen der NMS gibt es erst so wenige Daten, dass da eine Fortschreibung nicht gerechtfertigt ist.

Der Versuch, aus diesen Daten irgendwelche politische Folgerungen über Erfolg oder Scheitern den NMS abzuleiten ist unzulässig!

Statistische Prognosen sind der Versuch, mit Hilfe von Mathematik Unsicherheit zu quantifizieren. Beim PISA-Test gibt es in der Mathematik eine Subskala „Unsicherheit“. Da hat Österreich bei PISA 2003 (da wurde diese Skala das letzte Mal erhoben und publiziert) eher unterdurchschnittlich abgeschnitten. Anscheinend gibt es auch auf politischer Ebene gewisse Probleme, Unsicherheiten vernünftig abzuschätzen.

Es gibt aber noch ein weiteres Problem, nämlich die Darstellung der Daten. Da findet sich im zitierten Blog eine Form, die das Erkennen der behaupteten Entwicklung nicht gerade erleichtert.

Um die zeitliche Entwicklung der Aufteilung der Schüler auf zwei Schultypen zu untersuchen sollte man die Daten mit einer leicht verständlichen und problemadäquaten Grafik darstellen. Grafiktypen, mit dem man das gut untersuchen kann, sind gestapelte Stabdiagramme oder noch besser Mosaik-Diagramme. Das sieht dann so aus:

schprogHSAHS

In einer derartigen Grafik sieht man auf den ersten Blick, dass sich in der Prognose der Statistik Austria der Anteil der AHS-Schüler bei den 10-15-Jährigen erhöht, die HS(/NMS)-Schüler aber immer noch eine deutliche Mehrheit bilden.

Und außerdem ist diese Grafik eine Fortschreibung der Entwicklung vor Einführung der NMS, also zur Beurteilung der „Anziehungskraft“ der NMS vollkommen ungeeignet.

Wir Statistiker sind hoffnungslose Optimisten. Wir hoffen unbeirrbar, dass bei Prognosen auch darüber nachgedacht und gesprochen wird, was da in welcher Form fortgeschrieben wird.
Auch wenn das immer wieder nicht geschieht hoffen wir weiter!

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