Bildungsziele, Bildungsdaten und die Bundesregierung

Posted by Erich Neuwirth on 6. September 2011 in Allgemein |

Die Bundesregierung hat im Rahmen ihrer Strategie für lebenslanges Lernen erklärt, dass eine deutliche Verringerung des Anteils der Lese-Risikoschüler eines ihrer Ziele ist.

Das ist natürlich ein bildungspolitisch sehr wichtiger Schwerpunkt. Es lohnt sich aber, genauer zu lesen, wie die Bundesregierung dieses Ziel im Detail formuliert:

Im Strategierpapier der Bundesregierung Strategie zum lebensbegleitenden Lernen in Österreich findet man folgende Formulierung der Zielvorstellung:

Halbierung des Anteils der Lese-RisikoschülerInnen von 28 Prozent laut PISA 2009 auf 14 Prozent im Jahr 2020

Dazu zwei Anmerkungen:

Auf einer Webseite der OECD (Stand 6. Sept. 2011) findet man folgenden Text:

Es muss daher davon ausgegangen werden, dass die Testbedingungen, unter denen die Daten 2009 erhoben wurden, nicht uneingeschränkt mit den Testbedingungen früherer PISA Studien vergleichbar sind. Aus diesem Grund berichtet die OECD Ergebnisse für Österreich nur mit Vorbehalt und sieht von Vergleichen mit den Ergebnissen früherer PISA-Untersuchungen für Österreich ab.

Die OECD erklärt also Längsschnittvergleiche der Ergebnisse von PISA 2009 für nicht zulässig. Wenn das für PISA vor 2009 gilt, sollte man sinngemäss auch Ergebnisse nach 2009 nicht mit den Ergebnissen von 2009 vergleichen. Die Bundesregierung versucht also nicht, ein sauberes Messverfahren zu finden, mit dem man überprüfen kann, ob sie ihre Ziele erreicht hat.

Die Anteile von Lese-Risikoschülern bei früheren PISA-Untersuchungen waren 2000 19%, 2003 21% und 2006 22%. Nimmt man diese Werte als Vergleich, dann ist das Ziel der Bundesregierung, etwa um 2020 einen Anteil von 14% zu erreichen, immer noch sehr erstrebenswert, allerdings klingt es in dieser Formulierung weniger beeindruckend als die Halbierung des Anteils von 2009.

Noch etwas ist bemerkenswert:
Den Anteil von Lese-Risikoschülern laut PISA kann man nur aus einem PISA-Test ermitteln. PISA verwendet ganz bestimmte Messinstrumente, und vergleichbare Messungen erhält man nur, wenn man dasselbe Messinstrument verwendet. 2020 gibt es aber keine PISA-Testrunde. PISA-Tests nahe bei 2020 finden 2018 und 2021 statt. Damit ist das Ziel der Bundesregierung in der Form, wie sie es formuliert, überhaupt nicht überprüfbar.

Die Bundesregierung will also ein an sich begrüssenswertes bildungspolitisches Ziel erreichen, nämlich den Anteil der PISA-Lese-Risikoschüler von 2009 auf 2020 zu halbieren. Der Ausgangswert ist aber von der OECD als für Längsschnittvergleiche nicht geeignet erklärt worden. Und der spätere Wert wird in der Form, die man zum Vergleich braucht, nie erhoben werden.

Die Regierung stellt sich also eine Aufgabe, deren Erfüllung man aus doppeltem Grund niemals wird überprüfen können.

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