130 km/h oder 140 km/h – Was ist der Unterschied beim Bremsen?

Posted by Erich Neuwirth on 12. Januar 2018 in Allgemein |

Der Minister für Verkehr, Innovation und Technologie überlegt, die Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h auf 140 km/h zu erhöhen.
Ein Tweet des VCÖ (Verkehrsclub Österreich) hat mich auf die Idee gebracht, dazu ein paar Rechnungen anzustellen.

Wie wirkt sich denn die höhere Geschwindigkeit auf den Bremsweg aus?

Dazu brauchen wir ein paar weitere Zahlen.
Wir gehen von einer Reaktionszeit vom 0.8 Sekunden aus (das ist eine „gute“ Reaktion, man findet Angaben von 1 Sekunde oder mehr).
Während der Reaktionszeit verringert sich die Geschwindigkeit nicht, die ersten 0.8 Sekunden lang fährt das Auto mit 130 km/h.

Die Bremsverzögerung wird in m/s^2 angegeben und ein realistischer Wert auf trockener Straße und mit guten Bremsen ist 7.5 m/s^2. Das bedeutet, dass die Geschwindigkeit pro Sekunde um 7.5 m/s abnimmt. Wir müssen also die Anfangsgeschwindigkeit von 130 km/h in m/s umrechnen. Eine Stunde hat 60*60=3600 Sekunden, in einer Stunde legt also ein Auto mit 1 m/s 3600 m oder 3.6 km zurück.
Geschwindigkeiten in m/s rechnet man also in km/h um, indem man sie mit 3.6 multipliziert und umgekehrt rechnet man km/h in m/s um, indem man durch 3.6 dividiert. Also sind 130 km/h (gerundet) 36.1 m/s.

Wir können die Geschwindigkeit unseres Autos zu jedem Zeitpunkt also auch in m/s ausrechnen. Das geschieht in dieser Excel-Tabelle.

Diese Excel-Tabelle verwendet nicht die Formeln, mit denen solche Probleme im Mathematikunterricht üblicherweise behandelt werden! Wir machen es einfacher.

In dieser Tabelle berechnen wir Geschwindigkeit und Fahrweg des Autos in einer Tabelle mit einem Zeitraster von Zehntelsekunden (Spalte mit der Überschrift t).

Wir wissen, dass die Geschwindigkeit bis zum Zeitpunkt 0.8 Sekunden 36.1 m/s beträgt. Danach nimmt sie pro Zehntelsekunde um 0.75 m/s ab. Die entsprechenden Werte stehen in der Tabelle in der Spalte mit dem Titel v(t) m/s.
Den Fahrweg können wir auch durch Aufaddieren der einzelnen Wegstrecken berechnen. Wir kennen ja die Geschwindigkeit zu den einzelnen Zeitpunkten. Den zurückgelegten Fahrweg von Sekunde 1.3 bis Sekunde 1.4 können wir berechnen, indem wir die mittlere Geschwindigkeit in diesem Zeitraum berechnen
(also den Mittelwert der Geschwindigkeit bei 1.3 s und bei 1.4 s) und mit der Zeit 0.1 s multiplizieren. Diese Werte stehen in der Spalte s(t) m. Da wir Geschwindigkeiten auch in km/h angeben wollen, gibt es noch die entsprechende Spalte, in der natürlich nur die Geschwindigkeit in m/s mit 3.6 multipliziert wird.

Das Auto mit 130 km/h kommt also nach 5.6 Sekunden und 116 m Bremsweg zum Stillstand.

In den Spalten daneben rechnen wir das gleiche für eine Geschwindigkeit von 140 km/h.
Die Bremszeit beträgt da 6 Sekunden und der Bremsweg 140 m. Der Unterschied ist anscheinend nicht gewaltig.

Wie schaut die Sache aber aus, wenn (der|die) Fahrer(in)? ein Hindernis gerade 116 m vorher erkannt hätte? Das Auto mit 130 km/h hätte gerade rechtzeitig gebremst. Das Auto mit 140 km/h wäre auf das Hindernis aufgefahren. Wichtige Frage: Mit welcher Geschwindigkeit wäre es aufgefahren?

Das können wir feststellen, wenn wir in der Tabelle für das Auto mit 140 km/h schauen, welche Geschwindigkeit das Auto bei einer Strecke von 116 m hat. Es sind ungefähr 56 km/h!

Wenn das schnellere Auto statt mit 140 kmh mit 160 km/h führe, dann hätte es nach 116 m eine Geschwindigkeit vom 100 km/h.
Um das herauszufinden muss man nur die Zahl 140 (in der grünen Zelle in der Tabelle) ändern und dann in der „Wegspalte“ den Wert von 116 m (oder nahe dran) suchen.

Didaktische Zusatzbemerkungen:

Für diese Art von Rechnung gibt es keine einfach handhabbaren „klassischen“ Formeln. Ein paar grundsätzliche Überlegungen und etwas Verständnis dafür, wie Zeit, Weg und Geschwindigkeit zusammenhängen erlauben es aber, die Tabelle aufzustellen, und mit dieser Tabelle kann man dann auch die „Aufschlaggeschwindigkeit“ des schnelleren Autos berechnen.

Wenn man die Geschwindigkeiten ändert, dann kann man beispielsweise auch berechnen, welche Geschwindigkeit ein Auto mit 130 km/h nach der Strecke hat, bei der ein Auto mit 100 km/h schon zum Stillstand gekommen ist.

Wenn man also Tabellenkalkulation sinnvoll einsetzt, dann kann man etwas berechnen, das ein Betrag des Mathematikunterrichts zur politischen Bildung sein kann.

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