Erste statistische Analyse der Zentralmatura

Posted by Erich Neuwirth on 4. Juni 2015 in Allgemein with Comments closed |

Ich habe in der nzz.at eine erste Analyse von Ergebnissen der Zentralmatura geschrieben.

Ein (typo-)grafisch nicht ganz so hübsche Fassung gibt es hier.

Nach Veröffentlichung der Ergebnisse hat eine interessante Diskussion darüber begonnen, welche Aufgabe die Zentralmatura hat. Der standard hat mich dazu interviewt.

Ich wünsche mir dringend, dass diese Diskussion breit und ernsthaft geführt wird. Leider wird oft (z.b. in standard-postings) ziemlich verbissen über Details einzelne Aufgaben diskutiert, die Rolle der Zentralmatura in einem allgemeineren Rahmen wird aber meiner Meinung nach noch nicht ausreichend zum Thema gemacht.

Anmerkungen zu Anmerkungen zur Zentralmatura

Posted by Erich Neuwirth on 14. Mai 2015 in Allgemein with Comments closed |

Ich habe einige Zeit nachgedacht, ob ich diesen Blogeintrag überhaupt schreiben soll. Ich glaube nämlich, dass man Einschätzungen der Zentralmatura erst sachlich sauber untermauern kann, wenn auch die Ergebnisse vorliegen. Das wird erst in ein bis zwei Wochen der Fall sein.

Es gibt aber schon zwei öffentliche Äußerungen, die ich als ärgerlich empfinde, und diese Äußerungen möchte ich kommentieren; vor allem deshalb, weil erst später erhobener Widerspruch nur mehr in sehr geringem Umfang wirksam wird.

Der Lehrervertreter Eckehard Quin wird in der Presse zitiert:

Aufgrund der unterschiedlichen Leistungsstärke der Schüler müsse das Niveau „notgedrungen tief angesetzt werden“

und

In Summe wird damit natürlich das Reifeprüfungszeugnis weniger wert sein.

Was ist denn die Rolle der Matura? Sie verleiht die Berechtigung, nahezu jedes Fach an der Universität ohne weiteren Eignungsnachweis zu studieren.
Daher ist es wichtig, dass alle, die für universitätsreif befunden werden, gewisse Mindeststandards erfüllen, und zwar in allen vom Lehrplan der AHS vorgesehenen Teilgebieten der einzelnen Fächer.

Bei der alten nichtzentralen Form der Matura konnte ein_e Lehrer_in beispielsweise im Mathematikunterricht Wahrscheinlichkeitsrechnung einfach gar nicht oder nicht in ausreichendem Umfang unterrichten. Wenn dann bei der Matura keine entsprechende Aufgabe gestellt wurde, wurde dieser Mangel nie entdeckt. Das ist bei der Zentralmatura in dieser Form nicht mehr möglich.

Auf Twitter haben manche Leute auch Äußerungen von Mathematiklehrer_innen,
die heuer keine Maturaklasse hatten, berichtet. Da gab es (angeblich) auch: „Ich hätte das nicht zusammengebracht“. Also ist die Aussage über das tiefere Ansetzen der Leistungsstärke wohl etwas zu relativieren.

Wirklich beurteilen kann man das Niveau der Leistungsstandards wohl erst nach Vorliegen der Ergebnisse. Denkbar ist immerhin, dass es Schulen geben kann, wo sehr viele Schüler_innen relativ schlecht abgeschnitten haben. Sollte das der Fall sein, dann kann man zumindest über solche Schulen nicht sagen, dass dort die Leistungsstandards abgesenkt wurden.

Ein Wesenszug der Zentralmatura ist, dass die Leistungen der Schüler_innen (und damit ihre Lehrer_innen) vergleichbar gemacht werden, ohne dass die Schulen daran etwas „verschönern“ können.

Und mit Aussagen über die Leistungsfähigkeit sollten wir warten, bis Ergebnisse vorliegen.

Es gibt noch ein weiteres Ärgernis. Herr Taschner wird in einem Artikel in der Presse über eine der Aufgaben der Mathematikprüfung wie folgt zitiert:

Die Aufgabensteller haben von dieser Art von Beispiel offenbar keine Ahnung

Ohne ins Detail zu gehen gibt es dazu folgendes zu sagen: Alle Aufgaben wurden von mehreren Experten_innen (u.a. von einer Didaktik-Arbeitsgruppe der Österreichischen Mathematischen Gesellschaft) begutachtet und freigegeben. Herr Taschner beschuldigt daher eine relativ große Gruppe von Fachkollegen_innen, nichts vom Fach zu verstehen.

Es geht in dem Beispiel darum, ob eine bestimmte mathematische Schreibweise in einem bestimmten Kontext verwendet werden darf. Es gibt mathematische Gebiete, wo das, was Herr Taschner meint, bei der dort üblichen Begriffspräzision notwendig ist. Das gilt aber offenbar nach Meinung der befassten Experten_innen nicht für den Kontext, in dem dieses Beispiel zu sehen ist.

Viele Mathematiker_innen sind dieser Meinung, sonst wäre das Beispiel nicht akzeptiert worden. Außerdem wird zumindest in einigen Schulbüchern ebenfalls die Schreibweise verwendet, die Herrn Taschner so missfällt.

Herr Taschner meint aber, dass seine spezielle Einschätzung in Fragen der mathematischen Notation die alleinseligmachende ist und alle Fachkollegen_innen, die eine andere Meinung vertreten, offenbar keine Ahnung haben.

Beide angesprochenen Themen zeigen übrigens deutlich, dass eine Folge der Zentralmatura sein kann, dass wir uns endlich ernsthaft der öffentlichen Diskussion darüber stellen, was Bildung und insbesondere Allgemeinbildung heute ausmacht. Wenn die Zentralmatura bewirkt, dass diese Diskussion endlich stattfindet, dann hat sie so ganz nebenbei Großes geleistet.

Und noch eine persönliche Anmerkung:
Ich finde ja, dass man als Wissenschafter_in bei öffentlichen Äußerungen klar zu machen hat, ob man eine persönliche Meinung, den Konsens vieler Fachkollegen oder eine wissenschaftlich einigermaßen abgesicherte Feststellung berichtet. Das nicht zu tun halte ich für einen massiven Mangel an Allgemeinbildung.

Vienna City Marathon 2015 und Statistik

Posted by Erich Neuwirth on 21. April 2015 in Allgemein with Comments closed |

Ich hab die Daten des Vienna City Marathon 2015 ein bisschen statistisch analysiert. Die Ergebnisse gibts hier: http://www.neuwirth.priv.at/marathon15/ViennaCityMarathon2015.html

Die Analyse habe ich mir R und RStudio gemacht. Den source file dazu gibts auch, und zwar hier: http://www.neuwirth.priv.at/marathon15/ViennaCityMarathon2015.Rmd

Wenn R, RStudio und die notwendigen R packages installiert sind, dann kann man die gesamte Analyse reproduzieren (inklusive automatisches Absaugen der Daten aus dem Netz).

Geschlechterunterschiede, Bildung und PISA

Posted by Erich Neuwirth on 30. März 2015 in Allgemein with Comments closed |

Die OECD hat unlängst – im Zusammenhang mit dem Welttag der Frauen – Auswertungen über Geschlechterunterschiede bei der PISA-Studie veröffentlicht. In Österreich wurde am meisten kommentiert, dass sich die Schere zwischen den Geschlechtern seit 2003 am stärksten von allen Ländern geöffnet hat. In Mathematik sind die Mädchen merkbar schlechter als die Buben, und der Unterschied hat laut OECD von 2003 auf 2012 in keinem Land so stark zugenommen wie in Österreich. Der Unterschied ist tatsächlich ziemlich groß, ca. 20 PISA-Punkte. Das gilt aber für alle 4 PISA-Erhebungen außer der von 2003.
Weitaus weniger wurde thematisiert, dass beim Lesen die Buben weitaus schlechter sind als die Mädchen, und dass der Unterschied da etwa doppelt so groß ist wie bei Mathematik; die Mädchen sind um ca. 40 PISA-Punkte besser. Ausnahme 2003: Da sind (laut OECD) die Mädchen sogar um 47 Punkte besser.
Der anscheinend beobachtete extreme Zuwachs beim Mathematik-Unterschied beruht ganz entscheidend auf der Verankerung an den Ergebnissen von 2003.
Zieht man alle PISA-Untersuchungen (also vor und nach 2003) in Betracht, dann stellt sich heraus, dass sowohl beim Lesen als auch bei Mathematik die Geschlechterunterschiede bei PISA 2003 merkbar anders als zu den anderen Erhebungszeitpunkten sind. Das legt den Verdacht nahe, dass 2003 irgend etwas bei der Datenerfassung atypisch war. Und so war es auch.
Bei PISA 2003 gabs ein Problem mit der Zusammensetzung der Schüler. Einige der als Zufallsstichprobe ausgewählten AHS hatten deutlich mehr Mädchen als Buben; es gibt nämlich in Österreich – anders als in vielen anderen Ländern – immer noch Schulen, in die entweder sehr viel mehr Mädchen als Buben oder umgekehrt gehen.
AHS-Schülerinnen sind die besten Leser in der gesamten PISA-Stichprobe, und sie sind auch in Mathematik die beste Gruppe unter den Mädchen. Und sie waren in der Stichprobe überrepräsentiert. Daher hatten die Mädchen bessere PISA-Ergebnisse als es der tatsächlichen Zusammensetzung der gesamten Schülerpopulation entspricht. Analog hatten die Buben in der PISA-Stichprobe etwas schlechtere Ergebnisse. Buben sind in Mathematik besser als Mädchen; da es besonders viele gute Mädchen gegeben hat wurde der Geschlechterabstand im Vergleich zum „realen“ Wert verkleinert. Im Lesen sind die Mädchen besser als die Buben, und die besonders guten Mädchen waren noch überrepräsentiert, daher war der Stichprobenabstand beim Lesen größer als real. Dieser Effekt tritt nur bei den Werten für 2003 auf, die Werte vorher und nachher sind alle annähernd gleich. Ein Auseinanderdriften der Leistungen in Mathematik lässt sich, wenn man alle Daten betrachtet, nicht ableiten. Die OECD kennt die Verzerrung der Stichprobe, Andreas Schleicher (oberster PISA-Verantwortlicher) hat das Vorwort zu dem Buch verfasst, in dem wir (eine österreichische Arbeitsgruppe von Statistikern) die Probleme von PISA 2003 (und auch 2000) analysiert und Vorschläge zur Korrektur gemacht haben. Verwendet man die korrigierten Werte für 2003, dann wird der Abstand beim Lesen kleiner und in Mathematik größer und die Abstände bleiben über alle PISA-Erhebungen hinweg ziemlich konstant.
Bemerkenswert ist auch, dass die Tatsache, dass der Geschlechterunterschied im Lesen (zu Ungunsten der der Buben) ca. doppelt so groß ist wie der in Mathematik (zu Ungunsten der Mädchen), kaum thematisiert wird. Bei beiden Problemen sollte dringendst etwas geschehen. Österreich gehört nämlich in Mathematik jedes Mal zu den Ländern mit dem größten Geschlechterabstand. Beim Lesen ist der Geschlechterunterschied im Vergleich zu vielen anderen Ländern ebenfalls groß, in Finnland gibt es aber zum Beispiel einen weitaus größeren Geschlechterabstand beim Lesen als in Österreich, bei PISA 2012 etwa 60 Punkte.
Was bedeuten eigentlich diese PISA-Punkte? Ständig wird damit argumentiert, aber kaum jemand kann sich etwas darunter vorstellen. Diese Punkte stehen in einer mathematischen Beziehungen mit Lösungswahrscheinlichkeiten von Aufgaben mit bestimmtem Schwierigkeitsgrad. Wenn die Mädchen um 40 Punkte besser lesen als die Buben, dann heißt das, dass eine Aufgabe, die 50% der Buben lösen, von 62% der Mädchen gelöst wird. Wenn die Buben in Mathematik um 20 Punkte besser abschneiden, dann heißt das, dass eine Aufgabe, die 50% der Mädchen lösen, von 56% der Buben gelöst wird. 10 PISA-Punkte entsprechen also bei einer mittleren Lösungswahrscheinlichkeit (etwa 50%) einem Unterschied von etwa 3%.
Die Ergebnisse von PISA zeigen, dass wir in Österreich beträchtliche Unterschiede zwischen Buben und Mädchen haben, dass das aber vielleicht sogar eher zu Lasten der Buben als zu Lasten der Mädchen geht.
Diese Unterschiede sind über alle PISA-Perioden hinweg ziemlich konstant; es scheint sich also um systemimmanente Probleme zu handeln. Das heißt, dass es wahrscheinlich keine Schnellreparatur gibt. Umso mehr sollten wir uns anstrengen, die Ursachen genauer zu klären und dann entsprechende Strategien zur Reduktion der Unterschiede zu entwickeln.

Falls sie das selber genauer analysieren wollen:
Eine Excel-Datei mit den ursprünglichen und den korrigierten Werten gibts hier zum Download.

Eine Beschreibung unseres Buches und links zu den Daten, mit denen die Korrekturen durchgeführt wurden, gibts hier.

Die Einkommensteuerreform in Zahlen

Posted by Erich Neuwirth on 13. März 2015 in Allgemein with Comments closed |

Ich hab eine Excel-Arbeistmappe zum zukünftigen Einkommensteuertarif erstellt. Hier gehts zur Online-Version.

Diese Tabelle rechnet ausgehend vom regulär zu versteuernden Jahreseinkommen (also Einkommen minus Sozialversicherungsbeiträge und ohne 13. und 14. Monatsgehalt) die zu zahlende Einkommensteuer nach dem alten und dem neuen Tarif aus.

Man kann damit z.B. auch errechnen, dass man ab einem derartigen Einkommen von 1.049.600 Euro nach dem neuen Tarif mehr Steuer zahlt als nach dem alten.

Das ist eine Zusammenfassung für Einkommen bis zu 160.000 Euro:

Einkommensteuer

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