Mandatszuteilung nach D’Hondt
Spielereien mit dem EU-Wahl-2014-Ergebnis

Posted by Erich Neuwirth on 4. Mai 2019 in Allgemein |

Bei der EU-Wahl 2014 wurden 18 Mandate vergeben.

ÖVP SPÖ FPÖ GRÜNE NEOS
5 5 4 3 1

Das Verfahren, mit dem die Mandate aus den Stimmen errechnet werden, ist das Verfahren nach d’Hondt.

Wie funktioniert das?
Die übliche Beschreibung ist relativ kompliziert, und man versteht meist nicht, wie sie zustandekommt.

Das Prinzip dahinter ist einfach: Bestimme die größtmögliche Wahlzahl, mit der du noch alle Mandate vergeben kannst und verteile dann die Mandate mit dieser Wahlzahl.

Da stellt sich die Frage: Was ist eine Wahlzahl?
Eine Wahlzahl legt fest, für wieviele Stimmen eine Partei ein Mandat bekommt.
Ist die Wahlzahl 150.000, dann bekommt eine Partei mit weniger als 150.000 Stimmen kein Mandat,
mit 150.000 bis 299.999 Stimmen ein Mandat, mit 300.000 bis 449.999 Stimmen 2 Mandate usw.
Eine Partei mit 350.000 Stimmen bekommt demnach (bei einer Wahlzahl vom 150.000) 2 Mandate und hat 50.000 unverbrauchte Stimmen.
Diese Stimmen heißen auch Reststimmen.

Wenn man die Wahlzahl kennt, dann
dividiert man nach diesem Varfahren zunächst die Stimmenzahlen der Parteien durch die Wahlzahl. Dieser Quotient (also das Divisionsergebnis) ist in den meisten Fällen keine ganze Zahl. Das Divisionergebnis wird dann abgerundet und die abgerundete (ganze) Zahl ist die Zahl von Mandaten, die der betreffenden Partei zugewiesen werden. Zieht man von der Stimmenzahl der Partei das Produkt der Wahlzahl mit der Mandatszahl ab, dann ist diese Differenz die Zahl der Reststimmen.

Die Stimmenzahlen der Parteien bei der EU-Wahl 2014 waren

ÖVP SPÖ FPÖ GRÜNE NEOS
761896 680180 556835 410089 229781

Bei einer Wahlzahl von 200.000 wäre die Mandatsverteilung

ÖVP SPÖ FPÖ GRÜNE NEOS
3 3 2 2 1

Es würden also (bei einer Wahlzahl von 200.000) insgesamt 11 Mandate vergeben.

Bei einer Wahlzahl von 100.000 wäre die Mandatsverteilung

ÖVP SPÖ FPÖ GRÜNE NEOS
7 6 5 4 2

Es also würde (bei einer Wahlzahl von 100.000) insgesamt 24 Mandate vergeben.

Bei der EU-Wahl 2014 mussten genau 18 Mandate vergeben werden.
Wie findet man eine Wahlzahl, bei der man genau eine vorgegebene Zahl von Mandaten vergeben kann?

Durch Herumprobieren kann man herausfinden, dass 130.000 als Wahlzahl „funktioniert“, mit dieser Wahlzahl werden genau 18 Mandate vergeben.

Anmerkung: Einmal in die Tabelle klicken lässt den Erläuterungstext über Cookies verschwinden und zeigt die ganze Tabelle.

Mit der Wahlzahl 130.000 kann man alle 18 Mandate vergeben. Allen Parteien bleiben Reststimmen, also kann man mit einer etwas größeren Wahlzahl (z.B. 131.000) auch noch alle Mandate vergeben.

Auch bei Wahlzahlen von 135.000 und 136.000 werden genau 18 Mandate vergeben.
Bei eine Wahlzahl von 136.500 werden aber nur mehr 17 Mandate vergeben.

Also liegt zwischen 136.000 und 136.500 die größte Wahlzahl, bei der gerade noch 18 Mandate vergeben werden.

Wie können wir die finden?

Bei einer Wahlzahl vom 136.000 bleiben der SPÖ nur mehr wenige Reststimmen, nämlich 180.
Wie hoch kann denn die Wahlzahl werden, damit der SPÖ genau 0 Reststimmen bleiben.
Klarerweise ist das bei einer Wahlzahl von $\frac{680.180}{5}=136.036$ der Fall.
Wenn die Wahlzahl genau ein Fünftel der Stimmen der SPÖ ist, dann ergibt die Division Stimmenzahl durch Wahlzahl genau 5 und es bleiben keine Reststimmen. Sobald die Wahlzahl nur ganz wenig größer wäre, ergäbe die Division nur mehr 4 Mandate.

Wenn wir also möglichst wenig Restimmen haben wollen, dann erreichen wir das, wenn eine Partei 0 Reststimmen hat, und das ist dann der Fall, wenn die Stimmenzahl einer Partei ganz genau ein Vielfaches der Wahlzahl ist oder – anders gesagt – die Wahlzahl der Quotient der Stimmenzahl einer Partei und einer ganzen Zahl (der Mandatszahl dieser Partei) ist. Wenn wir also für alle Parteien folgende Zahlen berechnen: Stimmenzahl, Stimmenzahl/2, Stimmenzahl/3, Stimmenzahl/4, ….. Stimmenzahl/Gesamtmandatszahl, dann ist die Wahlzahl eine dieser Zahlen. Wir werfen alle diese Zahlen „in einen Topf“, sortieren sie (absteigend) der Größe nach und nennen diese Zahlenreihen Quotientenreihe.

Sind 2 Mandate zu vergeben, dann gibt es 2 Möglichkeiten: die stärkste Partei bekommt alle beiden Mandate oder die beiden stärksten Parteien bekommen je ein Mandat.

Wann bekommt die stärkste Partei beide Mandate? Wenn sie mehr als doppelt so viele Stimmen als die zweitstärkste Partei hat, dann funktionierte die Hälfte ihrer Stimmen als Wahlzahl. Alle anderen Parteien haben weniger Stimmen als diese Wahlzahl, daher bekommen die anderen Parteien keine Mandate und die stärkste Partei bekommt 2 Mandate. Hat die zweitstärkste Partei mehr als die Hälfte der Stimmen der ersten Partei, dann funktioniert ihre Stimmenzahl als Wahlzahl. Sie bekommt 1 Mandat, und der Quotient der Stimmen der stärksten und der zweitstärksten Partei ist kleiner als 2 (die stärkste Partei hat weniger als doppelt so viel Stimmen wie die erste Partei), also bekommt die stärkste Partei auch nur ein Mandat.
In beiden möglichen Fällen ist also die zweitgrößte Zahl aus der Quotientenreihe die Wahlzahl.

Wenn 3 Mandate zu vergeben sind, dann kommen nur die 3 stimmenstärksten Parteien für ein Mandat in Frage. Es gibt dann 3 Möglichkeiten der Aufteilung: 3/0/0, 2/1/0 und 1/1/1.
Hat die stärkste Partei mehr als 3x so viele Stimmen als jede der beiden anderen Parteien, dann funktioniert 1/3 der Stimmen dieser Partei als Wahlzahl. Beide anderen Parteien haben dann weniger Stimmen als die Wahlzahl, die Division der Stimmen der stärksten Partei durch die Wahlzahl geht sich genau aus und die stärkste Partei bekommt alle 3 Mandate.
Hat die stärkste Partei mehr als doppelt so viele Stimmen als die zweitstärkste (und daher auch die drittstärkste) Partei, aber weniger als 3x so viele Stimmen, dann funktioniert die Stimmenzahl der zweitstärksten Partei als Wahlzahl. Die Division der Stimmenzahl der stärksten Partei durch diese Wahlzahl ergibt eine Zahl zwischen 2 und 3, daher erhält diese Partei 2 Mandate. Die zweitstärkste Partei erhält (ihre Stimmenzahl ist ja die Wahlzahl) genau ein Mandat.
Ist die Stimmenzahl der stärksten Partei kleiner als die doppelte Stimmenzahl der zweitstärksten, dann hängt das Mandatsergebnis von der Stimmenzahl der drittstärksten Partei ab. Ist die Stimmenzahl der stärksten Partei größer als das Doppelte der Stimmenzahl der drittstärksten Partei, dann funktioniert die Hälfte der Stimmenzahl der stärksten Partei als Wahlzahl. Die stärkste Partei bekommt 2 Mandate, die zweitstärkste 1, und die drittstärkste (ihre Stimmenzahl ist ja geringer als die Wahlzahl) kein Mandat.
In allen Fällen ist die Wahlzahl die dritte Zahl in der Quotientenreihe.

Beispiel:
Bei einer Stimmenverteilung von 90000/50000/40000 ergibt die Wahlzahl 45000 eine Mandatsverteilung von 2/1/0.
Bei einer Stimmenverteilung von 90000/50000/48000 ergibt die Wahlzahl 48000 eine Mandatsverteilung von 1/1/1.

Diese Überlegungen kann man für höhere Mandatszahlen mathematisch formalisieren. Der Algorithmus zur Mandatsvergabe lautet dann:
Man bilde die Quotientenreihe und verwende die Zahl, die an der Stelle steht, die der Zahl der zu vergebenden Mandate entspricht, als Wahlzahl.

In der folgenden Tabelle können sie die Zahlen in den gelb markierten Zellen ändern und so verschiedene Szenarien ausprobieren.

Es kann passieren, dass 2 oder mehr Parteien gleichen Anspruch auf ein Mandate haben.
Ein Beispiel: Partei A hat 100.000 Stimmen, Partei B und Partei C je genau 50.000 Stimmen und es sind 3 Mandate zu vergeben.
Dann ist die drittgrößte Zahl in der Quotientenreihe 50.000, die viertgrößte aber ebenfalls. In so einem Fall wird meist durch das Los entschieden, wer das strittige Mandat erhält.

Zum Download gibts eine Excel-Arbeitsmappe mit dem d’Hondt’schen Verfahren für das Ergebnis der EU-Wahl 2014. Man kann dort auch die Stimmenzahlen verändern und die Auswirkungen auf das Mandatsergebnis beobachten.

Man kann in dieser Arbeitsmappe z.B. nachprüfen, dass die Grünen mit 30.000 Stimmen weniger 1 Mandat weniger bekommen
hätten (das Mandat wäre zur ÖVP gewandert).
Die ÖVP hatte mit 60.000 1 Mandat mehr (auf Kosten der SPÖ) bekommen.

Mathematische Erklärung

Dieser Abschnitt wendet sich nur an Leser, die einigermaßen fließend im Decodieren und Übersetzen der algebraischen Schreibweise sind.

$S_i$ mit $i=1\ldots k$ seien die Stimmen der Partei $i$

$q_{i,j}=\frac{S_i}{j}$ seien die Folge der Parteienquotienten.

$q_{(h)}$ seien die „zusammengelegten und der Größe nach geordneten” Parteienquotienten, es sei also $q_{(1)}$ der größte aller Parteienquotienten, $q_{(2)}$ der zweitgrößte usw. Wir nennen sie Gesamtquotientenreihe.

Wir nehmen an, dass alle Quotienten voneinander verschieden sind.

$w$ sei einer der Parteienquotienten, und zwar $w=\frac{S_I}{m_I}$. Wir suchen für alle Parteien $i$ jenes $m_i$ für das $\frac{S_i}{m_i} \gt w$ und $\frac{S_i}{m_i+1} \lt w$.
Ausnahme: Für $i=I$ sei $m_I$ die Zahl mit $\frac{S_I}{m_I}=w$.

$M$ sei die Summe dieser $m_i$, $M=\sum_{i=1}^{k}m_i$

Dann gilt für $j=1\ldots m_i$ die Ungleichung $\frac{S_i}{j} \geq w$ und weiters gilt $\frac{S_i}{m_i+1} \lt w$

Das ist äquivalent mit $m_i w \leq S_i$ und $(m_i+1) w \gt S_i$

In der Sprache der Wahlarithmetik bedeutet das, dass bei einer Wahlzahl $w$ die Partei $i$ mit $S_i$ Stimmen $m_i$ Mandate erhält und dass insgesamte $M$ Mandate vergeben werden.

Für alle $i$ und $j \le m_i$ gilt $q_{i,j} \geq w$, und es gibt $M$ dieser Parteiquotienten. Die sind gleichzeitig auch die $M$ größten $q_{(h)}$ und es gilt $q_{(h)}\geq w$ für $h \leq M$. Daher ist $w$ die $M$-größte Zahl in der Gesamtquotientenreihe.

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